Villa Wahnfried. Fast so schön wie die Festspiele.

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Heute haben sie begonnen. Denkbar unfestlich, ohne roten Teppich und ohne Staatsempfang. Die Freunde der Richard-Wagner-Festspiele wird das kaum stören, wenn sie es überhaupt bemerken. Sie nehmen schlicht alles in Kauf – von stolzen Eintrittspreisen über harte, ungepolsterte Sitzplätze bis hin zu einem überaus schlichten Gastro-Service in den Pausen. Ganz anders ist das alles an einem anderen Bayreuther Wagner-Kultort.

Die Villa Wahnfried, das legendäre Wohnhaus des Komponisten, ist erst vor einem Jahr für rund 20 Millionen Euro nach langem Umbau wiedereröffnet worden. Das ist viel Geld, aber es hat sich gelohnt. Alle Räume, in denen der meistens recht klamme Richard Wagner ziemlich luxuriös residierte, sind restauriert und zu besichtigen. Zum Beispiel der große Saal (Wohnraum und Bibliothek) und die Halle, in der in späteren Zeiten die Festspiel-Sänger Richards Witwe Cosima vorsingen mussten. Aber mindestens ebenso wichtig: In die Villa Wahnfried ist gleichzeitig das Wagner-Museum mit unzähligen Dokumenten und Devotionalien integriert. Die moderne Museumspädagogik ist auch auf Kinder eingestellt, die sonst ja wohl ziemlich wenig mit Wagner anfangen können.

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Beim Rundgang ist mir mal wieder klar geworden, was mich neben der Musik am meisten an Richard Wagner begeistert: seine durch nichts zu erschütternde Überzeugung, einer der größten Komponisten aller Zeiten zu sein und den vorbestimmten Weg weiterzugehen – durchgehalten auch in schwierigsten Zeiten. Nur eine von vielen Anekdoten: Er besuchte stolz und zuversichtlich einen Empfang und keiner wusste, dass er es sich nicht einmal leisten konnte, seine Stiefel besohlen zu lassen. Er war also barfuß unterwegs in der vornehmen Gesellschaft. Was stört das schon einen Richard Wagner. Es wäre längst fällig, dass mal ein Motivationslehrbuch a la Wagner verfast wird. Leider kämen wohl ziemlich schwierige Typen dabei heraus.

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Auch die dunklen, dunkelsten Seiten Richard Wagners und seiner Nachfahren werden überzeugend aufgearbeitet. Da ist zum einen der Meister selbst und sein ausgeprägter Antisemitismus. Da ist zum anderen der Clan, der Adolf Hitler huldigte, zum Teil sogar noch nach dem Ende des Nationalsozialismus. Darum geht es im Nebengebäude, dem Siegfried-Wagner-Haus. Der Besucher erfährt, dass der Diktator im weitläufigen Kaminzimmer oft zu Gast war und in diesem Haus sogar bei seinen Bayreuth-Besuchen hier übernachtete. Richards Schwiegertochter Winifred Wagner duzte Hitler und nannte ihn „Onkel Wolf“.

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Im Garten – wenige Schritte von Villa Wahnfried, Siegfried-Wagner-Haus und dem grandiosen modernen Erweiterungsbau des Architekten Volker Staab entfernt – befindet sich dann der Einfachheit halber auch Cosimas und Richards Grab. Wagner-Fans müssen also nicht eigens einen Friedhof besuchen, um Blumen niederlegen zu können. Nach seinem Tod in Venedig war der Komponist hierher überführt worden. Ganz in seinem Sinne, hatte er doch selbst den Spruch bestimmt, der auf der vorderen Fassade der Villa Wahnfried eingraviert ist:

„Hier wo mein Wähnen Frieden fand – Wahnfried – sei dieses Haus von mir benannt.“