Neulich in der Zaubergrotte: Was im Hauptstadtkulturleben so alles untergeht

La Grotta di Trofonio

La Grotta di Trofonio

In – sagen wir mal – Bielefeld, Passau oder Kiel wäre das alles anders gelaufen.

Da wäre diese abgefahrene Operninszenierung in den Medien ausführlich besprochen worden, da hätten sich alle Kultur-Aficionados der Stadt in einer der Vorstellungen blicken lassen, da hätte man den Sommer über einige Tausend Zuschauer zusammengebracht. Und in Berlin? Da geht eine höchst gelungene Inszenierung wie die von Antonio Salieris La Grotta di Trofonio (Trofonios Zauberhöhle) fast unter. Weil quasi nebenan Die toten Hosen und Die Ärzte auf dem Tempelhofer Flugfeld auftreten, weil auf der Monbijou-Brücke am Bode-Museum kostenlos klassische Musik geboten wird, weil immer an 30 Orten gleichzeitig etwas los ist.

Die Musikschule Paul Hindemith in Neukölln bietet im Sommer seit zehn Jahren auf dem Gutshof Schloss Britz Operninszenierungen. Dieses Mal den vergleichsweise selten gespielten Antonio Salieri. Das war einmal ganz anders. Zu Mozarts Zeiten war Salieri der wohl einfllussreichste Komponist, Musikfunktionär und Musiklehrer (seine Schüler waren unter anderem Ludwig van Beethoven, Franz Liszt und Franz Schubert).

Die „Zauberhöhle“ ist ein schlicht konstruiertes Stück. Wer durch Trofonios Zauberhöhle geht, der verwandelt sich in sein genaues Gegenteil. Der Bücherwurm wird zum Naturburschen und umgekehrt. Genau das erleben zwei Liebespaare, die abwechselnd mit der Grotte Bekanntschaft machen. Es folgen allerlei Verwirrungen und ein gutes Ende.

In Neukölln haben Regisseurin Tatjana Rese und Bühnenbildnerin Pia Wessels aus der Zauber- eine Kifferhöhle gemacht, in der eine XXL-Tüte herumgereicht wird. Dazu passend tragen die Darsteller die schrille Kleidung der 70er. Was zunächst ein wenig irritiert, ist folgendes: Es wird in den Sprechtexten kräftig berlinert. Gewöhnungsbedürftig. Man hört sich aber hinein und findet´s dann doch immer wieder witzig. Sehr viel gelungener ist die Modernisierung des Librettos mit Anspielungen auf die Gegenwart. Besonders hübsch: In der Pause spielt im Britzer Gutshof ein Bläsertrio – Salieri natürlich.

Aber letztlich lebt eine Oper immer von zwei Dingen: vom Orchester und von den Sängern. Und dafür am Ende ein großes Kompliment. Das Kammerorchester des Festivals Schloss Britz liefert unter der Leitung von Stefan Roberto Kelber eine komödiantisch-spitzige musikalische Grundlage, die Stimmen sind zum Teil großartig. Allen voran Ingo Witzke als Trofonio mit seinem durchdringenden Bass. Ein Riese. Und zwar nicht nur, weil er als Zauberer auf Stelzen auftritt und so rund 2,50 Meter groß ist. 

Wer interessiert ist, der muss sich sofort ins Auto oder in die S-Bahn setzen: Nur heute (11. August) wird es noch einmal aufgeführt. Um 16 Uhr, in drei Stunden also. Das kann man in Berlin locker schaffen.

Salieri-Ständchen

Salieri-Ständchen

Musikalische Leitung: Stefan Roberto Kelber, Inszenierung: Tatjana Rese, Bühnenbild und Kostüme: Pia Wessels, Textfassung: Bettina Bartz und Werner Hintze, Ariston, morgenländischer Kaufmann: Tobias Hagge, Doris, seine Tochter: Andrea Chudak, Euphelia, ihre Schwester: Carolin Löffler , Artemidoros, Euphelias Bräutigam: Fabian Martino, Pleisthenes, Doris’ Bräutigam: Matthias Jahrmärker, Trophonios, Zauberer: Ingo Witzke