Wenn das Taxi zum Theater wird

Solch einen kleinen Zuschauerraum dürfte kein anderes Theater in Berlin haben. Gerade mal vier bis fünf Menschen  passen in ein Taxi hinein. Und genau an diesem überschaubaren Ort spielt ein neues Stück in Kreuzberg.

Jessica Glause und Olivia Wenzel haben sich dieses Projekt einfallen lassen. Ihre Ausgangsidee: Wir alle sind immer wieder im Taxi unterwegs, erfahren aber selten etwas davon, wer uns denn da eigentlich durch die Gegend fährt. Dabei wäre es spannend, gerade das zu wissen. Denn Taxifahrer haben oft ein wechselhaftes Leben hinter sich. Viele von ihnen haben diesen Job gewählt, weil sie in ihrem erlernten Beruf keine Chance erhalten. Oder auch, weil sie den Abschluss nicht geschafft haben. Gerade bei Migranten ist es immer wieder ein Problem, dass ihre ausländischen Abschlüsse nicht anerkannt werden. In „Hellelfenbein – Berliner Kurzstrecken“ (die Standardfarbe der Taxis) lernen wir fünf Fahrer kennen. Ein Doku-Theater, aber eben nicht auf der Bühne des Theaters im Aufbauhaus, sondern an den Arbeitsplätzen der Taxifahrer.

Das Stück startet auf einem Parkplatz. Fünf Taxifahrer warten auf die Zuschauer/Fahrgäste, die ihnen nach dem Zufallsprinzip zugeteilt werden. Partner und Paare bleiben in der Regel nicht zusammen, sondern finden sich in einer willkürlichen Kleingruppe wieder. Und schon geht es los. Fünf Minuten Taxifahrt durch Kreuzberg. Der Fahrer erzählt aus seinem Leben. Dann folgt an einem Taxistand der Umstieg in ein anderes Auto. Und schließlich ein längerer Halt auf einem Parkdeck. Es sind bewegende Geschichten von Männern, die zum Beispiel Lehrer und Theaterwissenschaftler waren, ehe sie in die Bundesrepublik kamen. Von Männern, die ganz unterschiedlich mit ihrer Lebenssituation umgehen – mal mit den Fahrgästen gar nicht über ihr Schicksal reden, mal das Gespräch suchen. An den Haltestationen von „Hellelfenbein“ versammeln sie ihr Publikum auf mitgebrachten Campingstühlen um sich, bauen mit ihnen ein Zelt auf, lassen sie neben dem Auto laufen, fahren mit den Taxis zu Walzerklängen Slalom auf dem Parkdeck. Sie hadern nicht nur mit ihrem Schicksal, sondern erzählen auch von den schönen Seiten, von den Freiheiten des Taxifahrerlebens. Nach eineinhalb Stunden steht fest: Auf lange Zeit wird man als Teilnehmer dieses Doku-Stückes nicht mehr in ein Taxi steigen, ohne sich zumindest kurz Gedanken über den Menschen zu machen, der einen von einem Ort zum anderen bringt. Weitere Aufführungen ab 28. Mai 2015.