Wenn Sie sich das Foto unten ansehen, dann können Sie schon ein wenig verstehen, warum die Pfaueninsel vor den Toren der Stadt als einer der schönsten Orte von Berlin und Umgebung gilt. Märchenhafte Gebäude, Bootsanlegestellen, verwunschene und zugewachsene Plätze. Das macht diese Insel aus. Wenn Sie dann noch den namensgleichen Roman von Thomas Hettche gelesen haben, dann warten Sie als Besucher der Pfaueninsel darauf, jeden Moment Maria Dorothea Strakon zu begegnen. Wobei, man kann sie leicht übersehen.

Die Pfaueninsel liegt mitten in der Havel. Sie gehört zum Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Bis zur turbulenten Mitte Berlins sind es 22 Kilometer Luftlinie, jedoch gefühlte 220 Kilometer. Hat man das Glück, die Insel an einem verregneten, kalten, touristenarmen Tag zu besuchen, dann kann man ziemlich einsam herumstreifen. So wie in vergangenen Jahrhunderten Preußens Könige, die sich hier einen Rückzugsort geschaffen hatten.

Hier hat Thomas Hettche seinen Roman angesiedelt. Es tauchen auf: der Hofgärtner Fintelmann, ein Riese, Känguruhs und vor allem ein kleinwüchsiges Geschwisterpaar, in der Sprache der Zeit „Zwerge“ genannt. Oder, noch schlimmer, wie es die erschrockene Königin Luise, gleich am Anfang des Romans sagt: „Monster„.

Marie und ihren Bruder Christian, die beiden Hauptfiguren, entstammen nicht der Phantasie des Schriftstellers. Es gab sie tatsächlich. So wie eben auch etliche andere „Naturschauspiele“, zum Beispiel einen echten Löwen und einen Südsee-Insulaner, den man sinnigerweise Heinrich Wilhelm taufte. Ein Panoptikum ganz nach dem Geschmack der Zeit.

Thomas Hettche erzählt uns, dann natürlich doch mit seinen eigenen Ideen, das Leben der Marie, die mit ihrem Bruder als Waisenkind auf die Insel kam und zum Schlossfräulein ernannt wurde. Sie wurde fast 80 Jahre alt und hat das Eiland kaum jemals verlassen. Wir erfahren von ihrer unglücklichen Liebe zum Sohn des Hofgärtners, von ihren Begegnungen mit dem König, vom ihrem Bruder, der als Viehhirte mehr und mehr in der Natur aufgeht.
Natürlich ist das eine Geschichte, die weit weg ist von unseren heutigen Sorgen. Aber deswegen muss es sich ja nicht gleich um einen verwerflichen Eskapismus handeln. Aus anderen Zeiten erzählt zu bekommen, das kann durchaus auch den Blick auf die Gegenwart schärfen.

Praktischer Tipp: Kaufen Sie sich den Roman (344 Seiten, als Taschenbuch für 10,99 Euro zu haben), dann noch eine Fährkarte auf die Pfaueninsel (vier Euro) und fangen Sie dann gleich dort zu lesen an. So kann man für weniger als 15 Euro in weniger als einer Stunde aus der Millionenstadt Berlin komplett abtauchen.