Wie man in´s Kunstmuseum gehen kann, ohne ein einziges Gemälde anzusehen

Vor einiger Zeit im Berliner Brücke-Museum: Ein Mann, wahrscheinlich in den 60ern, kariertes Hemd, Digitalkamera in der Hand, macht sich an die Arbeit. Er startet – ganz korrekt – beim ersten Gemälde der Ausstellung. Ohne das Werk genau anzusehen, fotografiert er es ab, dann folgt ein Schnappschuss des Hinweisschildes daneben, damit er später auch weiß, von wem das Bild stammt. So geht es 45 Minuten lang. Foto vom Gemälde, Foto vom Schild. Ein Schritt weiter. Foto vom Gemälde, Foto vom Schild. Ein Schritt weiter…

Vermutlich hat der Mann insgesamt nicht länger als zehn Minuten auf die Exponate geblickt. Die übrige Zeit sah er sie nur durch den Bildschirm seiner Digitalkamera. Er war erkennbar kein professioneller Ausstellungsfotograf, dafür war seine Kamera zu mickrig. Nein, es war nur ein normaler Besucher. Der dann mit rund 70 Aufnahmen von anerkannt wertvollen und bedeutenden expressionistischen Gemälden nach Hause ging. Warum hat er sie statt dessen nicht direkt angesehen?

Solche Menschen trifft man in Museen immer öfter. Den Knipsern sind die Megapixel, die sie auf ihrer Speicherkarte mitnehmen können, wichtiger als die Ausstellung. Dabei sind doch, wenn man ehrlich ist, diese Fotos meistens a/unscharf, b/belanglos oder c/ein Fall für das digitale Grab auf der Festplatte des häuslichen Rechners. Und außerdem gibt´s in der Regel an der Museumskasse sehr viel bessere Postkarten von den Exponaten.  Trotz aller Meckerei: Beeindruckt hat mich unter den Knipsern, die mir begegneten,  jene Frau, die sich auf den Boden setzte und quasi zu einer Kugel zusammen rollte, um in die beste Fotografierposition zu gelangen – siehe untenstehende Galerie.

4 Kommentare zu “Wie man in´s Kunstmuseum gehen kann, ohne ein einziges Gemälde anzusehen

  1. Ich würde eine museumsdidaktische Weiterentwicklung vorschlagen wollen. Ein QR-Code unter der Beschreibung, der einen dann Bild und Text schlicht aufs Mobile runterladen lässt. Vielleicht wäre das auch ein neuer Vertriebsweg für ganze Ausstellungskataloge.

  2. Das bleibt wohl auf ewig ein Rätsel 🙂 Schon mal drüber nachgedacht, ob es irgendwo einen Artikel gibt, in dem jemand kopfschüttelnd über denjenigen berichtet, der durch ein Museum läuft und Fotos von Besuchern macht, die Fotos von Bildern machen? 🙂

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