Das normale Opernpublikum war das nicht. Das konnte man auf den ersten Blick erkennen. Denn das ist im Schnitt etwa 20 Jahre älter, trägt keine rosa Perücken und nuckelt während der Vorstellung auch nicht an einem Pils aus der Flasche.
Selten dürfte Henry Purcells tragische Liebesgeschichte „Dido und Aeneas“ in einem so schrägen Ambiente wie im „Salon zur wilden Renate“ tief im Berliner Osten aufgeführt worden sein: unter freiem Himmel, neben allerlei Holzverschlägen und kunstvoll drapierten Schaufensterpuppen, vor allem aber vor einem ausgesprochen jungen, zum Chillen aufgelegten Club-Publikum. Ein Boot, das im Wipfel eines Baumes hing und das man nur mit Hilfe einer Leiter erreichen konnte, war wohl das, was in Opernhäuser üblicherweise die Königsloge ist. Etwa zehn Zuhörer verfolgten die Aufführung von dort aus.
Die Inszenierung des auf knapp eine Stunde zusammengeschnurrten Stückes „Dido und Aeneas“ machte das beste aus der ungewöhnlichen Location. Die Chöre erhoben sich des öfteren mitten aus dem Publikum zum Gesang und vermittelten so dem Zuhörer den Eindruck, selbst Mitwirkende zu sein. Nachdem die Vorstellung erst um 22 Uhr, nach Einbrechen der Dunkelheit, begann, konnte die Regie auch sehr eindrucksvoll mit Lichteffekten (Fackeln, Lichterketten, Neonröhren) arbeiten.
Der Opernliebhaber ging aber trotzdem enttäuscht vom Spielfeld dieser sogenannten „Kiezoper“. Warum? Die Kurzfassung ließ einen nicht so recht in die barocke Stimmung Purcells eintauchen, die mikrofonverstärkten (im Grunde hervorragenden) Stimmen litten unter allerlei Lautsprecher-Rückkopplungen und etliche Nachbarn auf den Sitzbänken wollten sich lieber miteinander unterhalten als zuzuhören. Fazit: beim nächsten Mal dann doch besser wieder ein Opernhaus. Vielleicht zusammen mit ein paar zur Klassik konvertierten Techno-Freunden.