Wenn es Nacht wird im Park: „Alles wandelt sich, nichts geht unter“

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Eine Sommernacht. 22 Grad. Ein Park mitten in der Großstadt. Und dazu noch einer der schönsten Stoffe der Weltliteratur: Ovids Metamorphosen.

Einfach so vom Blatt weg aufführen kann man diese gut 10.000 Verse nicht. Dazu ist der Stoff nicht nur zu üppig, sondern auch zu bilderreich, mit zu vielen wechselnden Spielorten und Personen. Ovid verarbeitete rund 250 Sagen, die ihm bekannt waren. Ein Textgebirge.

Das Theater Anu („Poetisches Theater im öffentlichenb Raum“) hat das einzig richtige damit gemacht, nämlich nur ein paar Szenen ausgewählt und diese in einen nächtlichen Park verlegt – auf das Tempelhofer Feld, wo früher Flugzeuge starteten und landeten.

Es dauert bis kurz nach 22 Uhr, ehe die Besucher auf das umzäunte Gelände gelassen werden. Sie suchen es sich selbst aus, welche Stationen sie in welcher Reihenfolge abschreiten. Fackeln weisen ihnen den Weg. Hinter einem Schleier tanzt, zum Leben erwacht, Pygmalions hübsches Geschöpf. Gleich daneben trauert die Baumfrau um ihren Geliebten, der sich in einen Baum verwandelt hat. Und wieder ein paar Meter weiter scheitern Orpheus und Eurydike auf den letzten Metern ihres Weges aus der Unterwelt.

Die Textpassagen werden vom Band abgespielt, doch auch die Schauspieler sprechen und geben Geräusche von sich. Der wichtigste Mitspieler aber ist das Licht. Mal wird die Figur einer Darstellerin überlebensgroß als Schattenriss auf eine Leinwand projiziert, mal fängt eine Darstellerin das spärliche Licht von Overhead-Projektoren ein, indem sie daran vorbeitanzt.  Ganz nach Ovid:

nec species sua cuique manet rerum novatrix
ex aliis alias reparat natura figuras,
nec perit in toto quicquam, mihi credite, mundo

Kein Ding behält seine eigene Erscheinung, und die ewig
schöpferische Natur lässt eine neue Gestalt aus der andern
hervorgehen, und – glaubt mir – in der ganzen Welt geht nichts zugrunde

Bis 28. Juli auf dem Tempelhofer Feld.

Die Besetzung: Eva und der Baum des Vergessens – Silvia Sassetti, Rosa, die Baumfrau – Corinna Ahlers, Pygmalions Geschöpf – Rosabel Huguet, Procne – Maike Möller-Bornstein, Clymene – Ludmilla Euler/Bille Behr, Eurydice – Laura Parker, Kokon – Lorenzo Pennacchietti, Idee & Konzeption – Bille Behr, Stefan Behr, Martin Thoms, Szenografie – Martin Thoms, Regie & Choreografie – Bille Behr