Ein Schriftsteller muss schon ein formidables Selbstbewusstsein besitzen, wenn er „alle meine Gedanken nach dem Tode der Welt gegeben wissen“ will. Das hat sich noch nicht einmal Goethe gewünscht, obwohl der doch wirklich auch zu jedem Thema etwas zu sagen hatte. Doch in mancher Hinsicht hat ihn Jean Paul übertroffen.
„Kein Einfall sollte untergehen“, wünschte er sich. Doch die Jean-Paul-Verehrer und die Germanisten sind auch heute noch mit dem überfordert, was er tatsächlich an Schriftstücken hinterlassen hat. Was wäre erst los, wenn auch noch all die Gedanken des im Alter von 63 Jahren gestorbenen Jean Paul irgendwo gespeichert wären.
Der Oberfranke, dessen 250. Geburtstag heuer gefeiert wird, ist ein Weltall für sich. Was war er nicht alles! Ein Pfarrerswaise, der sich mit einem Armenzeugnis erst zur Bildung durchboxen musste. Ein Erfolgsautor vom Range Goethes und Schillers (wenn auch nicht auf Dauer). Ein Frauenheld, der von Salon zu Salon weiter gereicht wurde. Ein Phantastikus, der vieles vorausahnte, unter anderem die Erfindung des Heißluftballons. Ein Worterfinder, von dem unter anderem „Schmutzfink“, „Gänsefüßchen“, „Angsthase“, „Milchstraße“ und „Weltschmerz“ stammen. Verfasser eines Erziehungsratgebers. Satiriker und Fürstenkritiker. Ein wahnhafter Leser, der Zeit seines Lebens Exzerpthefte führte und es auf beinahe 70.000 Einträge brachte.
So richtig geschätzt haben ihn nach seinem großen Anfangserfolg, in den späteren Jahrzehnten und Jahrhunderten, nur die Kollegen Schriftsteller. Arno Schmidt, selbst so ein Autor für Feinschmecker, sagte, Jean Paul sei „einer von den Zwanzig, für die ich mich mit der ganzen Welt prügeln würde“. Heinrich Heine meinte, man müsse ihn wirklich „den Einzigen“ nennen, weil er in der Literaturgeschichte seinesgleichen suche.
Eine der gelungensten Aktionen zum 250. Geburtstag ist die Ausstellung „Dintenuniversum“ im Berliner Max-Liebermann-Haus am Brandenburger Tor. Sehr papierlastig, aber das geht ja nun auch bei Jean Paul, dem Papierverschlinger und Papierbeschreiber nicht anders. Sehr schön wird zum Beispiel nachvollzogen, wie Eintragungen aus seinen Exzerptheften irgendwann den Weg in einen Roman fanden. J. P. war auch der Superplaner, der endlos Konzepte und Register erstellte. Unter anderem ein „Register dessen was ich zu thun habe“. Punkt eins darin: „Dieses Register ietzt zu machen.“
Das „Dintenuniversum“ wird bis zum 29. Dezember 2013 gezeigt (Mittwoch bis Montag 11 bis 18 Uhr). Der reguläre Eintritt beträgt 6 Euro.