Ai Weiwei in Berlin: Drei Gründe, warum er ein grandioser Künstler ist

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Was ist eigentlich so bemerkenswert an der Kunst von Ai Weiwei? Gibt es einen nachvollziehbaren Grund, warum die halbe Welt auf seine bisher größte Ausstellung blickt? Ich versuche es mal.

Erstens: Ai Weiwei schafft Werke von hohem ästhetischen Wert. Wer durch die Ausstellung im Gropius-Bau geht, der wird unweigerlich von der materiellen Schönheit dessen, was er da sieht, gefesselt. 6000 Dreibein-Hocker, die im Lichthof nebeneinander aufgestellt sind, sehen von oben wie ein aus 6000 Pixeln bestehendes Foto aus. Die Porzellankrabben auf dem Boden (Foto unten in der Galerie) könnten jeden Moment loskrabbeln. Die 150 Fahrräder, die über dem Eingangsbereich hängen, versetzen den Betrachter in Trance, wenn er lange genug nach oben blickt.

Zweitens: Ai Weiwei ermöglicht eine weitere Ebene des Betrachtens: Wären die Werke einfach nur „schön“ anzusehen und mehr nicht, dann wären wir schnell damit fertig. Wenn aber Ai Weiwei für ein Objekt edles Material wählt und es sorgsam verarbeiten lässt, dann steckt immer etwas dahinter. Ein Beispiel: Zuhause in seinem Atelier in Peking wird der Künstler gnadenlos vom Staat überwacht. Überall hängen Videokameras. Wie transportiert er diese Thematik in die Kunst? Er lässt im Gropius-Bau ebenfalls Überwachungskameras aufbauen. Aus Marmor. Und Handschellen aus fast durchsichtigem und zart scheinendem Jadestein. Mit dem edelsten Material, das es gibt, stellt er die hässlichsten Seiten des Polizeistaats dar.

Drittens: Ai Weiwei ist gnadenlos ehrlich. Er schont sich und andere nicht: Selbst den Moment, in dem er verhaftet wurde, dokumentierte er mit einem Handy-Foto. Er hat sein ganzes Leben zum Kunstwerk gemacht, um so gegen die staatliche Unterdrückung zu protestieren. Selbst seine Gefängniszelle, in der er mehrere Monate verbringen musste, wird zur Installation. Er hat sie im Berliner Gropius-Bau maßstabsgetreu nachbauen lassen (Foto unten). Was er sich selbst zumutet, das mutet er auch seinem Material zu. Etwa dann, wenn er wertvolle antike Keramikvasen aus der Han-Dynastie mit Autolack bemalen lässt,  um an den ewigen Widerstreit zwischen Tradition/Bewahren und Fortschritt/Konsum zu erinnern (Foto unten). Politische Kunst kommt manchmal allzu plump und plakativ daher. Bei Ai Weiwei ist sie nachdenklich und ästhetisch wertvoll.

 

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