Sezieren mit Stil: Willkommen im tieranatomischen Theater

Sehen Sie den Kreis in dem Bild oben? Unmittelbar vor dem Rednerpult. An der Stelle öffnete sich in früheren Zeiten der Boden und es erschien plötzlich ein totes Pferd, ein toter Ochse oder eine tote Kuh. Und der Professor konnte vor den Augen der neugierigen Studenten mit dem Sezieren des Tiers beginnen.

Das Tieranatomische Theater auf dem Gelände der Humboldt-Universität (hinter dem Bettenhaus der Charité) ist das älteste Lehrgebäude Berlins und ziemlich sicher auch das schönste. Eigentlich unvorstellbar, dass man sich vor gut 200 Jahren so viel Mühe gab, um einen Sektionssaal zu bauen. Es ist eine Mischung aus Tempel und Theater, die der Architekt Carl Gotthard Langhans (übrigens auch Schöpfer des Brandenburger Tores) hier entwarf.

Der Raum ist rund, die Sitzplätze für die Studenten steigen steil an, damit auch von der obersten Reihe aus noch ein guter Einblick möglich ist. An der Wand: Gemälde mit Tierszenen. Man stelle sich vor! In die Fassade und sogar in die Bücherregale eingearbeitet: Tierköpfe und -schädel. Und ganz oben erst: eine kirchenartig ausgeschmückte Kuppel mit Rotunde. Von hier aus fällt das Licht in den Saal.

Hätte es 1789/90 schon einen Steuerzahlerbund gegeben, so hätte er wohl heftigsten Protest gegen diese Geldverschwendung eingelegt. Doch darum musste sich König Friedrich Wilhelm II. nicht sorgen. Er hatte angeordnet, dass eine Tierarzneischule errichtet werden solle, denn der Schaden, der für das Land  „aus Mangel an guten Ross- und Viehärzten entstanden“ sei, zeige die „allertraurigsten Folgen„. Das dürfe so nicht weitergehen, befand der König.

Es sollte nach den Plänen von Langhans oben im Hörsaal, im tieranatomischen Theater, nicht riechen oder schmutzig sein. Deswegen wurden die Tierkadaver ebenerdig in den Bau gebracht, ohne dass die Studenten und Professoren etwas davon sahen. Dann wurden die Tiere mit einer Aufzugkonstruktion (siehe das Modell in der Bildergalerie) nach oben gefahren.

Ende der 90er Jahre drohte dem von den Tiermedizinern längst aufgegebenen Gebäude der Verfall. Doch dann wurde das anatomische Theater sieben Jahre lang restauriert. Heute kann es besichtigt werden – dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos. Es dürfte einer der schönsten historischen Hörsäle sein, die es auf der ganzen Welt gibt. Bis 9. August findet hier auch noch eine Sonderausstellung mit dem Titel „Unsere Tiere“ statt. Sie befasst sich mit dem vielseitigen Verhältnis des Menschen zum Tier statt – als Lebensmittel, als Freund, als Unterhalter, als Sagenwesen.