Stahnsdorf ist eine der großen Gemeinden Brandenburgs. Nie gehört? Kein Wunder, denn die meisten der 120.000 Einwohner befinden sich unter der Erde. Auf dem Südwestkirchhof. Heute nacht ging es dort erstaunlich lebendig zu.
Grund dafür ist die Kulturnacht, die zum zweiten Mal nach dem Jahr 2003 hier stattfand. An den Gräberfeldern und den Mausoleen traten Künstler auf, die allesamt irgendeinen Bezug zu den hier Bestatteten haben.
Zum Beispiel Friedrich Wilhelm Murnau. Der ist einer der wichtigsten Filmregisseure, die Deutschland jemals hatte („Nosferatu“). Ganz nahe an seinem Grab wird deswegen der Vampirfilm gezeigt – musikalisch untermalt mit dem Klavier von dem Stummfilm-Musiker Stephan Graf von Bothmer.
Oder Hugo Distler, Chorleiter und Komponist. Der nach ihm benannte Berliner Chor bietet, der nächtlich-beschaulichen Stimmung angemessen, geistliche Chormusik. Aber was haben die Akteure des Varietés Wintergarten hier mit ihren Zauberkunststücken und mit ihrer Akrobatik zu suchen? Auch sie haben einen ganz besonderen Bezug zu Stahnsdorf. Ludwig Schuch, ehemaliger Direktor des Wintergarten, liegt auf dem Südwestkirchhof begraben.
Der Besuch der Kulturnacht in Stahnsdorf ist ein Abenteuer. Zwar hat das THW die Wege nach Kräfte ausgeleuchtet, doch es bleiben immer noch genug düstere Pfade, die sich der Besucher mit einer Taschenlampe selbst beleuchten muss. Immer vorbei an Gräbern und Mausoleen in schummrigen Licht. Wenig überraschend, dass sich auch einige Gothic-People in langen, schwarzen Ledermänteln eingefunden haben.
Im Grunde geht es aber bei der Aktion nicht um den Gruselfaktor, sondern um den Erhalt des Südwestkirchhofs, eines der größten Landschaftsfriedhöfe Europas. Die Pflege der Gräber und des Parks verschlingt jede Menge Geld, das über die Eintrittsgebühren für die Kulturnacht hereingeholt werden soll.
Ein Besuch in Stahnsdorf lohnt übrigens auch dann, wenn nicht gerade Kulturnacht ist. Hier liegen etliche Promis bestattet. So etwa Elisabeth Baronin von Ardenne, die das Vorbild für Theodor Fontantes „Effi Briest“ war. Aber auch der Maler Lovis Corinth, der Varietékünstler Erik Jan Hanussen, der Komponist Engelbert Humperndinck, der Politiker Otto Graf Lambsdorff, der Zeichner Heinrich Zille und die Unternehmersfamilien Langenscheidt und von Siemens.
Mitwirkende: Florian Langenscheidt, Hugo-Distler-Chor, Reinhard Schultz, Ulrich Seelemann, Dorothea Stockmar, Gabriele Hiller, Rainer Ehrt, Frauke Schmidt-Theilig, Egon Wrobel, Albrecht Hoffmann, musica e parole, Heike Pieper, Lufger Pieper, Reinhild Cleff, Joachim Walter, Erik Hoeppe, Peter-Michael Seifried, Sabine Schalla, Dance Company Marita Erxleben, MPercussion, Stephan Janas, Dora Heinze, The Embassy Singers, Wintergarten Varieté, Ute Beckert, Matthias Hellmann, Sibylle Einholz, Potsdamer Turmbläser, Paulina Layton, Dirk Schoedon, Peter Thomsen, Michael Richter, Ilona Nymoen, Stephan Graf von Bothmer, Sarah Bowden, Robin Poell
Sicher ein ganz besonderes Erlebnis!
Oh ja. Man fragt sich zwar auch, inwieweit das (noch) schicklich ist, aber es war ja immerhin eine Ehrung des Lebenswerks der in Stahnsdorf Beerdigten.
Pingback: Was tut sich nachts auf dem Friedhof? Allerhand. | Wintergarten Varieté Berlin
Hat dies auf Wintergarten Varieté Berlin rebloggt und kommentierte:
Ein toller Beitrag!
Danke, sehr nett. Der Wintergarten hat ja seinen Teil dazu beigetragen…