Es ist eines der bekanntesten Kinderbücher in deutscher Sprache: Pünktchen und Anton von Erich Kästner. Woher aber kommt der Titel? Wer war das Mädchen mit dem seltsamen Namen „Pünktchen“? Handelte es sich bei „Anton“ vielleicht um einen Schulkameraden des Schriftstellers? Seit ich das Erich-Kästner-Museum besucht habe, weiß ich Bescheid.
Pünktchen, die Tochter reicher Eltern aus dem Kinderbuch, hieß in im echten Leben Dora. Ihr Vater war Franz Augustin, ein erfolgreicher Pferdehändler und Erich Kästners Onkel. Er bewohnte mit seiner Familie eine Villa in der Dresdner Neustadt. Der Spitzname von Cousine Dora: Pünktchen. Wäre das schon mal geklärt. Und wo lag die Villa des Pferdehändlers? In der Antonstraße. Schon wissen wir, woher Pünktchen und Anton kommen.
Heute ist in der schmucken Villa des Onkels das Erich-Kästner-Museum untergebracht – mit Buchhandlung und Café im Obergeschoß sowie Dauerausstellung und Leseraum im Erdgeschoß. Bemerkenswert ist vor allem der Kern des Museums – eine Reihe von zusammen- und auseinanderschiebbaren, mannshohen Holzelementen. Es handelt sich, so die Selbstbeschreibung, um ein „interaktives Mikromuseum“. Viel Platz nimmt es wirklich nicht ein, aber es gibt Hunderte von Schubladen, die der Besucher aufziehen und nach Dokumenten über Erich Kästner durchstöbern kann. Seine Reiseschreibmaschine wird gezeigt, sein Anzug, sein Hut, seine Manschettenknöpfe. Auch darf man selbständig CD´s und Videokassetten herausnehmen und sie in die entsprechenden Geräte einlegen. Das Leben des Journalisten, Dichters, Romanciers wird so ziemlich aus jedem Blickwinkel beleuchtet.
Eigentlich müsste er als ein ganz Großer gelten. Erich Kästner hat Figuren geschaffen und Romane verfasst, die jeder kennt: neben Pünktchen und Anton auch Emil und die Detektive, Der kleine Mann und Die kleine Miss, Fabian, Das doppelte Lottchen, Konferenz der Tiere, Das fliegende Klassenzimmer. Doch mit der Leichtigkeit tun sich die Deutschen schwer und deswegen taucht der Name Kästner selten auf, wenn von den Sternen am Literaturhimmel die Rede ist. Alleine schon die hohen Auflagenzahlen machen ihn offensichtlich verdächtig. Da geht es ihm wie Mascha Kaleko, Herbert Rosendorfer, Walter Kempowski und vielen anderen von der Kritik Unterschätzten.
Die ersten zwei Jahrzehnte seines Lebens hat er in Dresden verbracht – als ein Sohn nicht unbedingt armer, aber doch sehr einfach lebender Eltern. Der Vater arbeitete in einer Kofferfabrik, die Mutter betrieb in der winzigen eigenen Wohnung ein Friseurgeschäft. Außerdem musste die Familie noch Untermieter aufnehmen, um ein wenig Geld dazu zu verdienen. Nicht weit entfernt wohnten der reiche Onkel und die Cousine Pünktchen. Erich Kästner war oft hier. Am liebsten saß er auf der Grundstücksmauer der Villa und blickte zum belebten Albertplatz hinüber. Daran erinnert eine Skulptur. So wie einst der junge Erich hat sie auf der Mauer Platz genommen (siehe Fotogalerie).
Später ging Erich Kästner erst nach Leipzig, dann nach Berlin. Er studierte, wurde ein erfolgreicher Schriftsteller. Und war gruseligerweise bei der Bücherverbrennung der Nationalsozialisten ein unerkannter Zuschauer, als seine eigenen Werke ins Feuer geworfen wurden. Die letzten 30 Jahre seines Lebens verbrachte er in München, wo er auch begraben liegt. Auf dem Bogenhausener Friedhof.