Menschen einsortieren, damit kann man gut seine Zeit verbringen: Brillenträger oder Nicht-Brillenträger, über 50.000 Euro Jahreseinkommen oder weniger, abenteuerlustig oder ängstlich, attraktiv oder nicht, Greis oder Jugendlicher, Datenwildschwein oder Datensparschwein?
Auf dieser Idee beruht eine Performance der Künstlergruppe Turbo Pascal mit dem Titel „Algorithmen. Eine biographische Formelsammlung“. Zunächst setzt sich der Besucher auf einen der über 100 nummerierten Plätze. Und dann beginnt ein munterer Platzwechsel. Man erhält per Lautsprecher den Auftrag, in einer anderen Nummerngruppe Platz zu nehmen. Man darf sich kleine Aufgabenzettelchen, frisch aus dem Drucker, abholen und diese Aufträge dann abarbeiten (siehe Foto oben). Dann wieder wird einer beauftragt, eine Gruppe von Zuschauern nach dem originellsten Outfit zu sortieren oder nach dem vermuteten Jahresgehalt.
Zwischendrin treten die Mitglieder von Turbo Pascal an das Mikrofon und stellen sich gegenseitig Aufgaben wie diese: Könnte man sich nicht eine App programmieren lassen, die es einem ermöglicht, schnell zwischen Menschen zu unterscheiden, die uns regelmäßig runterziehen, wenn wir ihnen begegnen, und den anderen, die uns gut tun? Wenn ja, wie viel Zeit würde das beanspruchen und was würde es kosten?
Dann wieder die Zuschauer. Sie wechseln die Plätze. Dieses Mal, um sich gegenseitig zu fragen, nach welchem Berliner Stadtteil sie aussehen. Ich wurde auf Kreuzberg geschätzt und bin aus Mitte. Umgekehrt schätzte ich eine Besucherin auf Friedrichshain und sie war aus Steglitz. Na ja.
Es war ein guter Abend. Warum? Weil sich die Teilnehmer(innen) mal wieder klar werden konnten, wie falsch sie doch oft liegen bei der Einschätzung einer Person. In wie viele verschiedene Kategorien jeder von uns passen würde. Dass nun ausgerechnet der, der einem wie ein Geringverdiener vorkommt, im wirklichen Leben offensichtlich Jobs zu vergeben hat. Dass es heute noch Menschen gibt, die denken, sie könnten ihre persönlichen Daten noch vor den Konzernen verbergen.
Ein Spiel. Aber eines, das ziemlich nahe dran ist am wirklichen Leben.
VON UND MIT Bettina Grahs, Angela Löer, Frank Oberhäußer, Margret Schütz, Georg Werner DRAMATURGIE Angela Löer AUSSTATTUNG Gabriele Vöhringer MUSIK Friedrich Greiling REGIEASSISTENZ Christina Ostrowski AUSSTATTUNGSASSISTENZ Stephanie Traut