Ist Euch denn gar nichts mehr peinlich?

Wer auf seine alten Tage noch einmal zu seinen schwülsten Jugendträumen zurückkehren möchte, der sollte in der nächsten Zeit die Berliner Sophiensäle besuchen. Dort empfängt ihn schon im Foyer eine Zeitmaschine.

Stockbetten wie in der Jugendherberge, knallbunte Bettwäsche mit Rennfahrermotiven, Poster von John Travolta und Herbert Grönemeyer, ein Bonanzarad, ein Aufklärungsbuch mit dem Titel „Liebe, Sex & Co.“ – da haben die Bühnenbildner ganze Arbeit geleistet. Ausnahmsweise nicht auf der Bühne, sondern im Zuschauerfoyer. Die Gäste dürfen sich auf die Stockbetten schwingen und darauf herumlümmeln. Bevor sie dann in den im Vergleich dazu sehr nüchternen Aufführungsraum eingelassen werden.

Das „Freischwimmer-Festival“ hat in diesem Jahr das Generalthema Intimität. Gibt es so etwas überhaupt noch? In einer Zeit, in der die Handy-Nacktfotos von Filmstars plötzlich gegen deren Willen im Netz zu sehen sind und in der man rund um die Uhr wirklich über alles chatten kann, sei es auch noch so peinlich. Sieben junge Künstlerinnen und Künstler wurden eingeladen, sich mit der Frage nach der verlorenen Intimität auseinander zu setzen.

„Strip naked, talk naked“ ist der Versuch, über zur Schau gestellte Nacktheit nachzudenken. Das Muster dafür ist eine Talkshow im dänischen Fernsehen, in der sich zwei bekleidete Männer über den Körper einer Frau unterhalten, die nackt vor ihnen steht. Die einen betrachten das als fast schon therapeutische Gender-Diskussion. Die anderen sehen es als Pornografie mit anderen Mitteln. Die Autorinnen Iva Sveshtarova und Rose Beermann haben dieses Motiv aufgegriffen – und sich gleichzeitig selbst als Aktmodelle zur Verfügung gestellt, über die zwei Männer (Daniel Hinojo,  Sebastian K. König) reden. Die Frauen müssen sich hin und her drehen, damit sie auch wirklich komplett begutachtet werden können. Dann führen sie sogar noch einen albernen Porno-Tanz auf. Doch dann dreht sich das ganze. Plötzlich sitzen die Männer nackt auf der Bühne und die Frauen geben die Kommandos.

Ganz anders geht der Schweizer Stephan Stock in seinem Solo („Theater der Peinlichkeit“) mit dem Thema Intimität um. Er führt den Zuschauern Videos seiner aufgezeichneten Selbstdialoge und Herumhüpfereien im Raum vor, die man sich in der Regel nur gestattet, wenn man alleine ist. Stock zeigt auch live seine Phantasien, tritt mal als Frau, mal als Kriegerin aus einem Online-Spiel, mal als alter Mann auf. Besonders interessant ist es, das Publikum zu beobachten, das oft nicht weiß, ob es laut lachen, peinlich berührt schweigen oder tieferen Hintersinn erkennen soll. Die Wahrheit ist wohl: alles zusammen und am besten gleichzeitig.

 

Freischwimmer, bis 25. Oktober 2014, mit Caroline Creutzburg, Hendrik Quast, Iva Sveshtarova, Rose Beermann, Daniel Hinojo,  Sebastian K. König, Simon Mayer, Stefanie Sourial, Stephan Stock, Tümay Kilinçel, Jungyun Bae.