Facebook, Twitter, Instagram, Pinterest, Google+, Xing und LinkedIn. Manchmal haben wir bei aller Begeisterung das Gefühl, dass sie uns zu sehr in Beschlag nehmen.
Was erwarten wir uns eigentlich von diesen Sozialen Netzwerken? Mal abgesehen von der rein beruflichen Nutzung. Wer darüber nachdenken will – und zwar über die banale Sachbuch- und Zeitmanagementebene hinaus -, der ist bei Botho Strauß gut aufgehoben. Der auf Anhieb etwas rätselhafte Titel seines Buches lautet „Die Lichter des Toren“.
Um es gleich vorneweg zu sagen: Es ist ein schwieriges, sperriges, widerständiges Werk. Interessante Gedanken zu finden, das gleicht hier ein wenig dem Pilzesuchen im Wald. Man bricht frohgemut auf, kommt gelegentlich ins Stolpern, ärgert sich, gibt trotzdem nicht auf und stößt dann auf bemerkenswerte Fundstücke, die all die Mühen wert waren.
Der Untertitel hilft zunächst auch nicht weiter. Er heißt “Der Idiot und seine Zeit”. Botho Strauß klärt uns in seinem Werk auf, dass er mit “Idiot” etwas anderes meint als das, was landläufig darüber verstanden wird. Er bezieht sich auf den (alt-)griechischen Idiotes (ἰδιώτης). Den Menschen, der sich öffentlichen Verpflichtungen weitgehend entzogen hat. Der ein “Privatmann” sein und sich “nicht mit dem Betriebsgeist der Dinge” messen will.
Botho Strauß, das dürfte nicht stark überraschen, steht auf der Seite derer, die nicht alles ausplaudern, die sich wenigstens auch gelegentlich ein Leben fern von den Foren vorstellen können. Aber wo liegt für ihn die Grenze zwischen sinnvollem Umgang und Selbstzweck der Netzwelt? Er sagt: „Wer sich an technischen Neuerungen berauscht, ist ein Schwachkopf. Wer sich ihrer zu bedienen versteht, ist ein Alltagsmensch, aus dem noch einmal etwas Besonderes werden könnte wie zu allen Zeiten.“ Jetzt dürfen wir raten, zu welcher Gruppe diejenigen gehören, die vor dem Apple-Store campieren, um früher als alle anderen an das neue iPhone zu kommen.
Ein weiterer schöner Merksatz in dem Buch: „Der Bewegungsraum eines Menschen muß zu fünf Achteln anachronistisch sein und darf nur zu drei Achteln aus Unübersehbarem bestehen.“
Botho Strauß´ Gedankenschnipsel sind das Gegengift zur Selfie-Flut. Er fragt: „Und was ist eigentlich aus der Kunst der Diskretion geworden, die einst die Individuen untereinander vor den größten Unverschämtheiten der Selbstentblößung bewahrte? Diskretion wäre heute das zentrale Widerwort zu allem, was da läuft, sich äußert und outet.“
Botho Strauß, Lichter des Toren. Der Idiot und seine Zeit, Diederichs Verlag, 176 Seiten, 20 Euro