Nachruf auf den Bleistift

Wer mit dem Bleistift schreibt, der kann sich heutzutage ziemlich sicher sein, dass er fast überall der einzige ist, der das tut. Die meisten Menschen benützen Kugelschreiber. Manche haben inzwischen gar keinen Stift mehr dabei. Sie tippen grundsätzlich alles nur noch ins Smartphone, Tablet oder Laptop. Nachruf auf ein Kulturgut.

Eigentlich ist der Bleistift das ideale Schreibinstrument. Er verträgt Hitze und Kälte, Trockenheit und Feuchtigkeit. Selbst wenn er jahrelang irgendwo unbenutzt herumlag, ist er sofort wieder einsatzfähig. Man kann mit ihm Papier, Pappe, Holz, Plastik und die Zimmerwand beschriften. Zerbricht ihn sein Besitzer versehentlich, dann entstehen daraus zwei Bleistifte. Hat man sich verschrieben, ist der Text problemlos auszuradieren. Auch aus ökologischen Gesichtspunkten verhält sich der Bleistift ebenfalls höchst korrekt: Er löst sich zum Ende seines Lebens rückstandsfrei auf.

Für jeden Charakter und jeden Bedarf gibt es den richtigen Bleistift. In den Härtegraden 4B bis 9B schreibt er tiefschwarz und weich. Das richtige für Künstler, wenn sie skizzieren wollen. Die Standardversion HB nimmt man am besten zum Schreiben. Und 4H bis 9H sind so hart, dass in erster Linie technische Zeichner etwas damit anfangen können.

Bezahlen muss ich so gut wie nie dafür. Denn obwohl ihn kaum noch jemand benutzt, gibt es ihn in vielen Hotels als Geschenk. Die oben abgebildeten Exemplare stammen übrigens aus Kopenhagen, New York, Baden-Baden, Venedig und Berlin. Es geht natürlich auch deutlich luxuriöser, bis hin zu einem (für Laien allerdings kaum erkennbaren) Snobismus mit dem „perfekten Bleistift“ von Faber-Castell (Foto unten). Der ist Schreibergät, Spitzer, Radiergummi und Schutzhülle in einem. In der Ausführung aus 925er Sterlingsilber kostet er rund 350 Euro.

Das literarische Grundlagenwerk zum Bleistift stammt von David Rees und trägt den wundervollen Titel „Die Kunst, einen Bleistift zu spitzen“. Der Untertitel des 223 Seiten dicken Buches: „Theorie und Praxis der Kunst des Bleistiftspitzens für Schriftsteller, Künstler, Unternehmer, Architekten, Handwerker, Juristen, Staatsdiener u.v.a.“. Wir erfahren so gut wie alles über den Schutz der Bleistiftspitze, das Anspitzen mit Taschenmesser, Einklingenspitzer und Kurbelspitzer mit Fräswalze. Psychologische Risiken beim Bleistiftspitzen bleiben ebenso nicht unbeachtet wie „Bleistiftanspitzen für Kinder“ und „Innovative Bleistiftanspitztechniken“.

 

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