„Wie haben Sie das denn durchgehalten? Können Sie so gut schwimmen?“ – Das war die erste, durchaus verständliche Frage, als ich einer Gesprächspartnerin erzählte, dass ich mehr als zwei Stunden lang eine Aufführung von Mozarts Oper „Die Entführung aus dem Serail“ aus dem Becken des Stadtbades Steglitz heraus verfolgt habe.
Aber das war ein Missverständnis. Ich befand mich zwar im Schwimmerbecken, aber da war kein Wasser drin. Statt dessen waren auf den Fliesen Stühle aufgestellt. Und darauf ließ es sich bequem aushalten. Es wird aber bestimmt auch nicht mehr lange dauern, bis die erste Oper aufgeführt wird, während der man als Zuschauer schwimmen muss. Denn die außergewöhnlichen Aufführungsorte liegen im Trend. „Die Zauberflöte“ im U-Bahnhof, „Dido und Aeneas“ im Biergarten, „Die Planeten“ im Technoclub, Streichquartett im Botanischen Garten…
Das ehemalige Stadtbad Steglitz ist schon seit sieben Jahren ein Berliner Schauplatz für Musik- und Sprechtheater. Alte Wäscherei, Schwimmhalle und russisch-römische Sauna sind aber auch wirklich ansprechende, die Phantasie anregende Spielorte, wenn man den leicht modrigen Geruch eines aufgelassenen Bades mal außer Acht lässt, der die Räume durchweht.
Das Clubtheater und dessen Kammerorchester präsentieren im Stadtbad eine in jeder Hinsicht verschlankte Fassung der „Entführung“ – mit rund zehn Prozent der vorgesehenen Orchestermusiker, mit weit weniger Sängern, ohne Chor. Und trotzdem: Es funktioniert. Zumindest meistens. Trotz der kleinen Kammermusikbesetzung entsteht ein voller Ton, notfalls kräftig unterstützt vom musikalischen Leiter Helmut Weese am Klavier. Einige der Sänger würden zwar mit ihren Rollen nicht unbedingt an der Staatsoper besetzt werden, aber das weiß ja auch jeder, der sich entscheidet, ins Stadtbad Steglitz zu gehen und nicht an die Opernmeile an der Bismarckstraße.
Schön wäre es gewesen, wenn Regisseur Stefan Neugebauer den ungewöhnlichen Ort noch ein wenig mehr zur Geltung gebracht hätte. Manchmal wirkt die Aufführung etwas statisch, beinahe konzertant. Auch den Sängern täte etwas mehr Spielwitz gut. Erst am Schluss, bei der Verfolgungsjagd durch den Taucherbereich des Schwimmerbeckens, kommt Bewegung in die Inszenierung. Laurent Martin als Pedrillo ist dabei der munterste der Akteure – bis hin zur Mimik.
Beteiligte:
Gesang: Norina Kutz / Kathleen Morrison (Konstanze), Sarah Behrendt / Sarah Papadopoulou (Blonde), Alexander Yagudin / Thomas Hartkopf (Belmonte), Laurent Martin (Pedrillo) Hansjörg Schnaß (Osmin); clubtheater-kammerorchester: Lee, Ling-Show (1. Violine), Yu, Shinhae (2. Violine), Ovsiukite, Auste (Viola), Richter, Klaus (Violoncello), Liu, Shih-Cheng (Querflöte), Venske, Anne (Oboe), Dayan, Tom / Omri, Blau (Schlagzeug); Schauspiel: Friedhelm Ptok (Bassa Selim); Regie: Stefan Neugebauer; Musikalische Leitung: Helmut Weese