Die Wilhelmstraße in Berlin – das war der Ort, von dem aus Nazi-Deutschland regiert wurde. Hier befanden sich unter anderem Adolf Hitlers Reichskanzlei und etliche Ministerien. Von alledem sieht man heute fast nichts mehr. Statt dessen bestimmt das Straßenbild überdeutlich einer der mutigsten Hitler-Gegner. Ein Mann, der ihn umbringen wollte und selber mit dem Tod dafür bezahlte. Die Geschichte eines späten Triumphes.
Mit Georg Elser tun sich die Deutschen seit jeher schwer. Er war ein Einzelkämpfer, er war ein einfacher Mann, er hatte nicht unbedingt das, was manche unter einer heldenhaften Erscheinung verstehen. Das ist, wie so vieles in der Geschichte, höchst ungerecht. Elser hätte er es um ein Haar geschafft, das Land von Adolf Hitler zu befreien – und zwar, bevor dieser Millionen von Menschen in den Tod geschickt hatte. Als andere dem „Führer“ noch zujubelten, hatte der Schreiner längst erkannt, welche Gefahr von seinem Regime ausgehen würde. „Ich habe den Krieg verhindern wollen“, erklärte er seinen Attentatsversuch.
Der 8. November 1939 war Elsers großer Tag. Er hatte sich akribisch vorbereitet und im Münchner Bürgerbräukeller eine Bombe versteckt. Aber Hitler hatte 13 Minuten vor der Detonation den Saal verlassen. Elser wurde verhaftet. Kurz vor Kriegsende, am 9. April 1945, wurde er im Konzentrationslager Dachau von einem SS-Oberscharführer erschossen.
Jahrzehntelang wurde Georg Elser eher als ein Sonderling betrachtet bzw. gar nicht beachtet – im Gegensatz zu den Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944, die in der jungen Bundesrepublik relativ schnell gesellschaftliche Anerkennung erfuhren. Dem Schriftsteller Rolf Hochhuth ist es zu verdanken, dass Elser seit Ende 2011 endlich in Berlin im öffentlichen Raum gewürdigt wird. Mit einem höchst interessanten Denkmal.
An der Ecke Wilhelmstraße / An der Kolonnade brachte der Künstler Ulrich Klages seine rund 17 Meter hohe Skulptur an. Sie zeigt die Shilouette von Georg Elsers Gesicht. Im wahrsten Sinne des Wortes dominiert der Attentäter jetzt haushoch über Adolf Hitler und die längst getilgten Reste seines Regimes. „Absolut geglückt und von einsamer Größe“ sei das Monument, stellte Rolf Hochhuth nach der Fertigstellung fest. Und er hat Recht. Von manch anderem Denkmalskitsch hebt sich diese Skulptur positiv ab. Sie drängt sich dem Passanten nicht auf, entwickelt aber trotz ihrer Schlankheit eine starke Präsenz im Straßenraum.
Was nützt dieser späte Triumph? Globke hatte es besser.
Es wäre schön, wenn sich wenigstens einige der heutigen Passanten am Elser-Denkmal Gedanken machen würden. Das wäre (s)ein Triumph.
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