Vor dem Konzert in die Wahlkabine: Basisdemokratie beim Streichquartett

Das Mandelring-Quartett

Das Mandelring-Quartett

Wer ein Konzert besucht, ob klassisch oder nicht, der bekommt normalerweise ein Programm vorgesetzt. Mitspracherecht: Null. Dass es auch anders geht, beweist ein auf der ganzen Welt bekanntes Ensemble.

Das Mandelring-Streichquartett wurde vor 30 Jahren gegründet, hat sich ein umfangreiches Repertoire, viele Preise und ein treues Publikum (vor allem auch in Berlin) erspielt. Zum Geburtstag sollte es mal etwas anderes sein als der gewohnte Konzertablauf.

Die Idee von Sebastian und Nanette Schmidt (Violine), Roland Glassl (Viola) und Bernhard Schmidt (Violoncello): Wir lassen unsere Zuhörer entscheiden, was sie hören wollen. Aus dem gesamten Repertoire von rund 300 Stücken wählten die Musiker 30 aus. Und von denen dürfen die Konzertbesucher kurz vor Beginn der Veranstaltung wiederum drei aussuchen, die dann tatsächlich gespielt werden. Basisdemokratischer geht es nicht. Jeder Besucher erhält einen Stimmzettel und darf mit Bleistift ankreuzen, was er gerne hören würde.

Am Geburtstagswochenende vom 11. bis 13. Juli finden im Radialsystem fünf Konzerte statt. Vor jedem wird abgestimmt. So kann es sein, dass fünf völlig unterschiedliche Konzerte gegeben werden, weil die Zuhörer immer etwas anderes wollen. Oder aber auch, dass das Mandelring-Quartett dieselben Nummern immer wieder spielen muss.

Am Premierenabend gab es Erwartbares und eine große Überraschung zugleich. Dass Franz Schuberts Vertonung von „Der Tod und das Mädchen“ gewählt werden würde, damit hatte man rechnen können. Ist ja auch eines der bewegendsten Stücke für Streichquartett. Nicht zwingend zu erwarten war Beethovens Quartetto serioso (op. 95) und schon gar nicht Ligetis Quartett Nr. eins mit dem Titel „Métamorphoses nocturnes“ – ein schwieriges, aber für Musiker wie Publikum überaus reizvolles Stück. Gerade im Vergleich mit den beiden Klassikern. 35 von rund 180 Zuhörern entschieden sich dafür.

Das einzig Bedauerliche nach dem Mandelring-Geburtstagswochenende: Man wird künftig vor jedem Konzertbesuch nach dem Stimmzettel suchen, mit dessen Hilfe man beim Programm ein Wörtchen mitreden kann. Vergeblich.