Was kommt heraus, wenn man sechs Opernsänger mit zehn Plattenspielern kreuzt?

John Cage, der letzte Universalkünstler (Komponist, Maler, Kunsttheoretiker), könnte heuer im September seinen 100. Geburtstag feiern. Landauf, landab wird überlegt, wie man das Ereignis „cagig“ begehen könnte. Natürlich nicht, indem alle brav in einem Konzertsaal sitzen und irgendwelche Darbietungen verfolgen.

Die Berliner Staatsoper hat eine gute Lösung gefunden und ihre Werkstatt für zehn Tage (bis 15. Juli 2012) zum Cagespielhaus umfunktioniert. Eine Fluxus-Wandelhalle, in welcher der Künstler schon mal mit dem Fahrrad zur Bühne fährt und in der die Besucher zwecks wechselnder akustischer Erlebnisse während des Konzerts herumspazieren. Mein Cage-Abend begann mit dem wohl berühmtesten Stück des Meisters – 4´:33´´. Da stehen professionelle Musiker/Sänger exakt vier Minuten und 33 Sekunden vor Publikum auf der Bühne und schweigen. Immer wieder ein sensationelles Erlebnis.

Es folgte das Stück „Europera 3“, so ziemlich das Gegenteil von 4´33´´.  Denn hier treten zehn Schallplattenspieler (keine CD-Player!), zwei Herren am Flügel und sechs Opernsänger zum Wettstreit an. Ein Klangteppich, aus dem mal der Papageno, mal der Fidelio, mal eine dem Zuhörer unbekannte Figur herausragt. Wenn man sich gerade auf eine wunderbare Bariton- oder Sopranstimme (live) eingestellt hat, dann krächzt garantiert der Rossini von der LP dazwischen.

Etwa 95 Prozent der Menschheit würden ein derartiges Konzert nach zehn Minuten unter wüsten Beschimpfungen („…und das mit unseren Steuergeldern!“) verlassen. Der Rest genießt es, eine völlig neue, inzwischen allerdings ja auch schon kanonifizierte Annäherung an Opernmusik zu erfahren. Dazu gehört im Vortragsprogramm ein Beitrag über John Cage, den Pilzsammler, und in der Pause ein Schnellkurs im Kung Fu. Hat man das jemals schon bei Mozart erlebt?

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