Fußball-Weltmeisterschaft: Kann eine Kirchenorgel Béla Réthy ersetzen?

Noch nie waren die Fernsehzuschauer bei der Übertragung eines wichtigen Fußballspiels im TV mit dem Kommentator zufrieden. Mit Heribert Faßbender nicht, mit Marcel Reif nicht und auch mit Béla Réthy nicht. Da liegt es doch nahe, auf die Herren ganz zu verzichten, oder? In Berlin geschieht das seit einiger Zeit.

Ein Fall für Carsten-Stephan Graf von Bothmer. Der Komponist und Pianist verzauberte  im Rahmen der Weltmeisterschaft die Berliner mit seinen originellen Fußballkonzerten . Dabei begleitet er das Fußballspiel live auf einer Orgel. Er hat dort, wo sonst die Noten liegen, einen winzigen Bildschirm, auf dem er das Spiel verfolgt – und es sofort in Musik umsetzt.

Nicht ganz ohne Absicht erinnert das an die Art und Weise, wie vor der Erfindung des Tonfilms Stummfilme von Musikern auf speziellen Kinoorgeln begleitet wurden. Und tatsächlich kann man Stimmungen – auf dem Fußballfeld wie im Gruselfilm – manchmal sehr viel besser mit Musik umsetzen als mit Sprache. Stephan von Bothmer beweist dabei auch Humor. So baut er verfremdete Melodien ein, die man kennt – aus dem „Phantom der Oper“ etwa oder den alten Seemanns-Hit „Wir lagen vor Madagaskar“.

Beim Viertelfinale Niederlande – Costa Rica war in der Kreuzberger Emmauskirche kein Platz mehr frei, als der 43-Jährige das Spiel an der Orgel begleitete. Oder soll man sagen: interpretierte? Ein höchst interessantes Instrument übrigens, weil es eine Mischung aus klassischer Pfeifenorgel und moderner elektronischer Orgel ist. Es war den Fußballfans ausnahmsweise erlaubt, in der Kirche Bier zu trinken und Brezeln zu essen.

Stephan von Bothmer kommt mit seinen Stummfilmkonzerten inzwischen ziemlich weit herum. Mal begleitet er Stummfilme wie Murnaus „Nosferatu“, mal Fußballspiele und mal gibt er ein Konzert in einer Sternwarte mit dem Titel „Das Wunder der Schöpfung“. Im September führt ihn eine Tournee bis nach Kolumbien – mit dem Film „Das Cabinet des Dr. Caligari“.

 

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