Ich sehe es den Leuten inzwischen an. Schon im Theaterfoyer weiß ich, wer fünf Minuten nach Vorstellungsbeginn die Wasserflasche aus der Tasche kramen, sie aufschrauben, am besten noch den Verschluss fallen lassen und schließlich geräuschvoll einen Schluck daraus trinken wird.
Ja, ja, ich weiß. Früher, bei Shakespeare und auch bei Mozarts Opernaufführungen, hat das Publikum angeblich während der Vorstellungen gegessen, getrunken und gerülpst. Warum rege ich mich also heute auf, wenn meine Nachbarn mit Bonbonpapieren rascheln, alle paar Minuten trinken und sogar Butterstullen hervorkramen? Weil es mich in meiner Konzentration stört. Noch schlimmer als die plumpe Variante ist die schonende Variante. Dann dauert nämlich das zaghafte, vermeintlich rücksichtsvolle Auswickeln eines Bonbons aus dem Papier etwa fünf Minuten und untermalt akkustisch locker eine komplette Mord- oder Liebesszene auf der Bühne.
Mir fehlt es, das gebe ich zu, in dieser Angelegenheit auch ein wenig am grundlegenden Verständnis. Wir leben in keinem Notstandsgebiet. Jeder Theater- und Opernbesucher sollte in der Lage sein, vor Vorstellungsbeginn ausreichend zu trinken und zu essen. Und danach kann man als gesunder Mensch auch mal 60 bis 90 Minuten ohne Getränke- und Nahrungsmittelzufuhr aushalten. Wenn die Vorstellung länger dauert, dann wird in aller Regel sowieso eine Pause eingelegt. Kein Grund also zur Panik, sollte man meinen.
An allen Bühnen gibt es inzwischen ein Handy-Warnsignal, bevor sich der Vorhang hebt. Und es funktioniert. Nur ganz selten noch klingelt im Zuschauerraum ein Telefon. Vielleicht sollte man künftig zusätzlich Verbotshinweise für Essen und Trinken geben. Einen Versuch wäre es wert.
Pingback: Was ich am Theaterpublikum hasse (3): Applausdiebstahl | metropolkultur
Pingback: Was ich am Theaterpublikum hasse (4): Analphabeten, Platzhopser, Zuspätkommer | metropolkultur
Pingback: Was ich am Theaterpublikum hasse (5): Die Hysteriker in der zehnten Reihe | metropolkultur
Pingback: Was ich am Theaterpublikum hasse (6): Olfaktorische Extravaganzen | metropolkultur
Pingback: Was ich am Theaterpublikum hasse (7): Die Handyknipser | metropolkultur
Pingback: Was ich am Theaterpublikum hasse (8): Die Simultandolmetscher | metropolkultur